KIND

Digitalisierung eines 70 Jahre alten Geschäftsmodells durch transformationale Produkte entlang des Kundenlebenszyklus

Verschiedene APP Screens von KIND

Mit mehr als 700 Fachgeschäften in zwölf Ländern ist KIND eines der führenden Familienunternehmen für Hörakustik und Augenoptik. Um diese Führungsposition auch in Zukunft zu behaupten, befindet sich das Unternehmen auf dem Weg zur erstklassigen Omnichannel-Experience, und zwar durch das nahtlose Verzahnen von digitalen und menschlichen Touchpoints.

Seit Ende 2020 arbeiten wir deshalb in enger Co-Creation mit KIND und unseren Partner:innen bei der fme AG an der Entwicklung von sogenannten „transformationalen Produkten“ – also solchen, die sich mit den Bedürfnissen und Verhalten der Nutzer:innen ändern, und damit auch die Wertschöpfungsmodelle der Unternehmen verändern. Diese haben echte Mehrwerte für die Zielgruppe und ermöglichen auch nach dem Kauf geschäftsrelevante Markenerlebnisse. Gemeinsam machen wir den gesamten Lebenszyklus der Kund:innen zur Wertschöpfungskette.

"Die KIND App ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Mission, eine exzellente Omnichannel Customer Experience zu bieten und langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen. Dank des methodischen Co-Creation-Arbeitens entlang des DIaaS®-Frameworks konnten wir von Beginn an kontinuierlich Innovation, technische Machbarkeit und Geschwindigkeit wertstiftend kombinieren. Das Ergebnis ist eine nachhaltig erfolgreiche App, die innerhalb kürzester Zeit entwickelt wurde"
Martin Jonas Hoffmann, Bereichsleiter Digitaler Vertrieb & Marketing // Head of eCommerce & Marketing
Ausgangslage und Vorgehen
KIND hat zwar auch Sehlösungen im Angebot, den größeren Teil des Umsatzes machen aber aktuell noch Hörgeräte aus. Einmal verkauft, werden die Hörlösungen in der Regel nach sechs bis zehn Jahren von den Krankenkassen gegen neue Modelle ersetzt. Das Problem ist, dass Kund:innen in dieser langen Zeit manchmal „vergessen“, dass sie eigentlich sehr zufrieden waren. Sobald die Hörlösung einmal angepasst ist, besteht nämlich kaum noch Kontakt.

Der Effekt: Ohne wirklichen Grund entscheiden sich manche für ein anderes Unternehmen. Wie können wir diese Abwanderungsquote reduzieren? Wie kann KIND weiterhin präsent bleiben? Der Schlüssel liegt im sogenannten „Customer Lifecycle“, genauer gesagt in der Anpassung des Kundenlebenszyklus: KIND Kund:innen sollen über jede Phase begleitet werden. Dabei bieten wir Hilfestellung und Mehrwert in der Anpassungsphase, also der Einstellung des Hörgeräts, der Nutzungsphase sowie in der Reaktivierungsphase vor der Wiederversorgung mit einem neuen Hörgerät.
Mit Daten zu echter Customer-Centricity
An jedem Touchpoint entstehen Daten. Je besser diese Daten zur Personalisierung und Kontextualisierung der Markenerfahrung eingesetzt werden, desto stärker wird der Nutzen für Kund:innen. Je stärker die positive Benutzungserfahrung, desto mehr Daten können gesammelt werden. So wird das Produkt immer wertvoller und die Chancen, Geschäftsmodelle zu digitalisieren und neue digitale Geschäftsmodelle aufzubauen, erhöhen sich.

Den Kontakt aufrechterhalten

Das Problem: ist das passende Hörgerät gefunden und durch KIND optimal eingestellt, verringert sich das Nutzerbedürfnis an Interaktion mit der Marke.

Gestartet wurde die Zusammenarbeit mit dem Auftrag, die KIND App als transformationales Produkt entlang des Kundenlebenszyklus zu erstellen: Diese Produkte passen sich den Bedürfnissen der User:innen auf Grundlage ihres Verhaltens an. Somit sind sie aus Unternehmensperspektive essenziell, denn sie erweitern den Lebenszyklus der Kund:innen. Für jedes ihrer Bedürfnisse gibt es nun ein Produktfeature.

Um solch ein transformationales Produkt für KIND zu entwickeln, haben wir entlang unseres hauseigenen DIaaS®-Frameworks unsere Expertise im Strategic Design und Product Design eingebracht. So können wir KIND-Kund:innen über den gesamten Lebenszyklus begleiten, ihnen einen Mehrwert in der „problemfreien“ Zeit mit dem Hörgerät bieten und so die Loyalität und Retention erhöhen.

Die Idee: die App sollte den Alltag mit den Hörgeräten erleichtern und beim Training des Hörvermögens unterstützen.

Mit DIaaS® zur transformationalen App

Über unser firmeneigenes Vorgehensmodell DIaaS® haben wir Handlungsbereiche identifiziert und konkrete Pläne zur Umsetzung erstellt:

Phase 1: Analyse

In der Analyse-Phase wird der Grundstein für eine erfolgreiche Co-Creation gelegt.Im Fokus der Workshops mit dem Team-Canvas-Framework war das Aufteilen der Zielgruppenbedürfnisse in Jobs (Aufgaben), Pains (Probleme) und Gains (Nutzen) entlang der Customer Journey. Dazu haben wir qualitative Telefoninterviews mit KIND-Kund:innen und weiteren Menschen mit Bedarf an Hörlösungen geführt.Diese Informationen haben wir mittels Customer Profile & Customer Journey nutzbar gemacht.

Unsere Learnings

  • Hörverlust ist immer noch mit Scham und Stigma verbunden – ein hochsensibles Thema, das viel Vertrauen bedarf
  • Auszudrücken, wie sich das eigene Hörvermögen verändert, ist gar nicht so leicht: Oft fehlt das Vokabular, um diese Erfahrung in Worte zu fassen.
  • Es existieren immer mehr neue Marktteilnehmer aus fachfremden Umfeldern (z.B. Apple und Bose). Diese erhöhen den Druck, wettbewerbsfähig zu bleiben.

Phase 2: Ideation

Den Kern der Ideation-Phase bildete ein Workshop, für den wir die Ergebnisse aus der Befragung benutzten. So stellen wir sicher, dass die App später alle relevanten Features enthält. Die gesammelten Ideen formalisierten wir einheitlich in Feature-Steckbriefen, um sie entlang der Dimensionen der Machbarkeit, des Nutzer-Benefits und der Business-Impacts zu bewerten. So wurde gemeinschaftlich der erste MVP Scope (eine erste Startversion) der App definiert.

KIND Designsystem-Elemente

Phase 3: Design

Die Basis für unsere Designs war ein digitaler Styleguide der Marke KIND. In der ersten Projekt-Phase „Strategic Design“ entwickelten wir auf Basis des Styleguides ein UI-Kit, welches seitdem als Designgrundlage genutzt wird. Das ist eine Sammlung von vorgefertigten, modularen Designkomponenten, die zur Gestaltung von Benutzeroberflächen in digitalen Produkten wie Websites, Apps oder Softwareanwendungen verwendet werden. Um die Nutzerfreundlichkeit zu erhöhen, haben wir bei der Gestaltung des Produktes einige Punkte beachtet:

UI-Kit

Ein UI-Kit ist eine modulare Sammlung von wiederverwendbaren Designkomponenten, die zur Gestaltung von Benutzeroberflächen in digitalen Produkten wie Websites, Apps oder Softwareanwendungen verwendet werden. In der Regel enthält es eine Sammlung von vorgefertigten Komponenten wie Buttons, Formularen, Dropdown-Menüs, Karten, Icons, Schaltflächen und andere interaktive Elemente. Diese Komponenten können als Bausteine verwendet werden, um Benutzeroberflächen für verschiedene Teile eines Produkts zu erstellen und konsistente Interaktionen und Funktionen zu gewährleisten. Damit werden verschiedene Ziele erreicht:

  1. Konsistenz: eine einheitliche Benutzererfahrung im gesamten digitalen Produkt wird durch gemeinsame Komponenten gewährleistet
  2. Effizienz: durch die Verwendung vorgefertigter UI-Komponenten werden Zeit und Ressourcen gespart, ohne dass die Qualität leidet
  3. Skalierbarkeit: die Komponenten passen sich verschiedenen Bildschirmgrößen und Geräten an, um kohärente Benutzererfahrung zu bieten
  4. Kollaboration: die Zusammenarbeit innerhalb des Designteams und zwischen verschiedenen Teams wird gefördert
  5. Markenwirksamkeit: Designrichtlinien und eine einheitliche visuelle Darstellung stärken die Markenidentität
KIND Designsystem Elemente und Screens

Barrierefreiheit

Produkte und Services sollten für jede:n zugänglich sein – dabei haben wir insbesondere auf den gehobenen Altersdurchschnitt von Kund:innen und Mitarbeiter:innen geachtet. Das verbessert die Nutzererfahrung und stärkt so den Kundenkontakt, denn man ist nicht von komplexer Technik abgelenkt.

Um die barrierefreie Nutzung der App sicherzustellen, haben wir folgende Punkte beachtet:

  • große Schriftgrößen und ein vergrößerter Zeilenabstand führen zu mehr Lesbarkeit
  • hohe Farbkontraste zwischen Schriftfarben und Hintergrund helfen dabei, Orientierung zu schaffen (z.B. bei Sehschwächen)
  • interaktiven Elemente müssen klar als solche wahrgenommen werden, deshalb ist eine Vereinheitlichung hier besonders wichtig
  • Klickhemmungen werden mit zusätzlichen Erklärungen abgebaut
  • Der Einsatz von Textfarben sorgt für eine klare Strukturierung der Informationen

Bildsprache

Eine einheitliche Bildsprache durch den Einsatz von Illustrationen emotionalisiert und macht nahbar. So entsteht ein Wiedererkennungswert für die Marke.

Wir unterscheiden in der App drei Arten:

  • einfache Icons (für Bedienelemente und interaktive Elemente in der App, um die Navigation zu stärken)
  • Illustrative Icons (Um Inhalte schnell erfassbar zu machen und zu bebildern)
  • Komplexe Illustrationen (Für Editorials und das Onboarding)
Illustrationskit von KIND

Phase 4: Validierung

Innerhalb von zwei Wochen erstellten wir mittels UX & UI einen Klickdummy, der anschließend in einem KIND-Fachgeschäft auf Akzeptanz und Nutzbarkeit in der Zielgruppe überprüft wurde. Wir fanden heraus, dass unsere App auch das stationäre Geschäft unterstützen könnte, insbesondere durch das „Hörtagebuch“ als Feature zur Protokollierung von Hörerlebnissen.

Phase 5: Scale

Um die Umsetzung von Ideen und die parallele Validierung effektiv voranzutreiben, haben wir einen dreistufigen Continuous-Release etabliert:

1. Phase: Direkter Alpha Release (erste Version nach sechs Wochen nutzbar)

Nachdem die Ideen generiert und validiert waren, wurde der erste Klickdummy in Fachgeschäften von Menschen mit Hörlösungen getestet. So konnten wir sehen, ob und wie eine App sie unterstützen kann.Um von den Tests in den Geschäften zur Alpha Version zu gelangen, wurde in mehreren schnellen Zyklen gearbeitet. Im April/Mai wurde die Alpha Version intern freigeschaltet, um die Infrastruktur aufzubauen und die Server hochzufahren. Anschließend wurde der erste Dummy mit eingeschränkter Funktionalität verfügbar gemacht.

2. Phase: Interner Beta-Release

Nachdem die Ideen generiert und validiert waren, wurde der erste Klickdummy in Fachgeschäften von Menschen mit Hörlösungen getestet. So konnten wir sehen, ob und wie eine App sie unterstützen kann. Um von den Tests in den Geschäften zur Alpha Version zu gelangen, wurde in mehreren schnellen Zyklen gearbeitet. Im April/Mai wurde die Alpha Version intern freigeschaltet, um die Infrastruktur aufzubauen und die Server hochzufahren. Anschließend wurde der erste Dummy mit eingeschränkter Funktionalität verfügbar gemacht.

2. Phase: Interner Beta-Release

Nach einem dreiviertel Jahr seit Beginn der Co-Creation konnte die Beta Version in acht Fachgeschäften genutzt werden. In der Praxis wurden Verbesserungspotenziale identifiziert und Anpassungen vorgenommen, wie ein vereinfachter Login mit QR-Code.

3. Phase: Öffentlicher Go-live mit Continuous Development

Nach knapp einem Jahr wurde die App in allen 700 Fachgeschäften öffentlich eingeführt. Für dieses Ereignis wurden alle Hörakustikmeister:innen bei KIND im Umgang mit der App geschult. An der Weiterentwicklung arbeiten wir kontinuierlich.

Das Ergebnis: Die KIND App

Die KIND-App unterstützt dabei, das Hörgerät im Alltag optimal zu nutzen und im Kontakt mit dem Fachgeschäft zu bleiben.

Der Kern für die optimale Anpassung der individuellen Hörlösung ist ein besonderes Feature: Mit dem Hörtagebuch werden wichtige Informationen über das Hörerlebnis gesammelt und eine individuelle Optimierung ermöglicht.

App bei KIND: kind.com/app oder direkt im Google Play Store oder Apple App Store

Die KIND App

Das Hörtagebuch

Aus der Befragung ging hervor, dass einer der größten Pain Points bei der Erkenntnis des Hörverlust ist, diesen Verlust nicht adäquat ausdrücken zu können. So wurde eine geleitete Erfassung des Hörvermögens mittels Hörtagebuch zum Kern des Produktes.

Die App fokussiert sich auf die Begleitung der Bestandskundschaft und unterstützt sie dabei, ihre Hörprobleme in Worte zu fassen. So kann das Hörgerät effizienter eingestellt werden und die Anpassungsphase erfolgreich und frustrationsfrei zum Abschluss kommen.

Persönliche Unterstützung per App

Durch das dynamische Tagebuch werden Nutzer:innen ermutigt, ihr Hörvermögen zu protokollieren und erhalten Tipps zur Einstellung und Pflege ihrer Hörgeräte. Die App konzentriert sich darauf, die Lebensqualität zu verbessern und in der Anpassungsphase Ängste und Scham bei den Nutzer:innen zu reduzieren. Übergeordnete Prinzipien der App-Experience sind Transparenz, Einfachheit, Zuverlässigkeit, Zuwendung und Vorausschau. Das spiegelt auch die Beratungsphilosophie von KIND wider: Das analoge Erlebnis kommt in die digitale Welt.

Erst der Anfang

Die App befindet sich seit 2022 in der Scale-Phase und wird mithilfe der von uns etablierten Arbeitsweisen entlang des Kundenlebenszyklus ausgebaut. Doch das ist noch längst nicht alles. Gemeinsam mit KIND und unserem Partner:innen bei fme arbeiten wir daran, eine einheitliche Gestaltungssprache in allen KIND-Produkten zu schaffen, um das Kundenerlebnis auf allen Kanälen zu verbessern.

Das KIND Team

Helena

UX Design

Jule

UI Design
Charlott

Charlott

UI Design
Clemens

Clemens

UX Design
Nadine

Nadine

Project Management

Jörn

Strategic Design
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